Europatag am 9. Mai: Wir brauchen die Europäische Union heute mehr denn je – Gute Gespräche mit zahlreichen Schülern im Wahlkreis
Der 9. Mai ist Europa-Tag in der Europäischen Union. Anlass, einmal mehr darüber nachzudenken, was Europa für uns eigentlich bedeutet. Wie beeinflusst dieser vor Jahrzehnten gegründete europäische Staatenbund heute unseren Alltag? Wie sähe ein Leben ohne die Europäische Union aus? Und was wünschen wir uns in Zukunft von und für Europa? Jedes Jahr biete ich allen weiterführenden Schulen im Wahlkreis an, mit Schülerinnen und Schülern über Europa zu diskutieren. Und das Angebot wird gerne angenommen. Diese offenen Gespräche mit insgesamt mehreren Hundert interessierten jungen Menschen sind auch für mich Ansporn und Ermutigung.
Wir brauchen Europa im politischen und wirtschaftlichen Weltgefüge heute mehr denn je. Die europäischen Staaten können sich nur gemeinsam in der zunehmend multipolaren Welt behaupten. Das ist wichtig in einer Zeit, in der unsere Werte und Grundüberzeugungen von immer mehr Akteuren auf der Welt offen in Zweifel gezogen werden. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht werden wir nicht gegen Schwergewichte wie die USA und China – aber zukünftig auch Indien und Brasilien – bestehen können, wenn wir in Europa nicht zusammenhalten und an einem Strang ziehen. Wir wollen die Regeln mitbestimmen und uns nicht nach den Regeln anderer richten müssen.
Mancherorts scheint in der Öffentlichkeit jedoch die Wahrnehmung zu überwiegen, die EU sei ein überbürokratisches Gebilde, das zunehmend das Leben der Bürger erschwert und nur noch wenige Vorteile zu bieten hat. Nicht zuletzt hat diese Wahrnehmung 2020 zum Austritt Großbritanniens geführt. In den Gesprächen mit jungen Menschen verspüre ich aber weniger Europa-Skepsis. Das ist sehr schön so.
Aber ich sehe auch Weiterentwicklungs- und Reformbedarf in der Europäischen Union. In einem Staatenbündnis von 27 Staaten ist allerdings auch viel Abstimmung notwendig, um einen Konsens zu erzielen, den dann auch alle mittragen. Dieser manchmal mühsam gefundene Kompromiss ist auch aus deutscher Sicht immer besser als ein nationaler Alleingang. Denn Deutschland profitiert mehr als alle anderen von Freiräumen in Europa und einer starken gemeinsamen Stimme in der Welt. Millionen von Arbeitsplätzen hängen alleine davon ab.
Aber gerade in der Außenpolitik würde ich mir mehr Handlungsfähigkeit und schnellere Entscheidungen wünschen. In akuten Situationen, wie wir sie zuletzt mehrmals hatten, kann nicht wochenlang diskutiert werden, um sich dann schlussendlich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aller 27 zu einigen. Die raschen und entschlossenen gemeinsamen Schritte als Antwort auf Russlands Angriff auf die Ukraine seien ein gutes Beispiel dafür, dass es auch schneller geht.
Jeder Bürger schätzt es: Visafreies Reisen, einheitliche Währung, Arbeiten und Studieren in europäischen Nachbarländern ohne bürokratische Hürden zum Beispiel bei der Renten- und Krankenversicherung, beim Führerschein oder dem Handyvertrag. Auch für die meisten Unternehmen ist der gemeinsame Binnenmarkt ohne Zölle und die europaweite Niederlassungs- und Gewerbefreiheit bares Geld wert. Vorteile, die sich auch im Portemonnaie jedes einzelnen bemerkbar machen. Ein exportorientierter Staat wie Deutschland profitiert enorm vom Handel ohne Barrieren.
Für mich hat jedoch ein anderes Argument nach wie vor das größte Gewicht: Wir leben in Europa seit bald 80 Jahren in Frieden. Das hätten unsere Großeltern sicherlich nicht für möglich gehalten. Heute ist es für uns unvorstellbar, gegen unsere europäischen Nachbarn in den Krieg zu ziehen. Der Garant dafür ist die Europäische Union, durch die wir auf allen Ebenen stark mit unseren europäischen Partnern verflochten sind. Aber mit dem Frieden und der Freiheit ist es doch ein bisschen so wie mit der Gesundheit: Solange man sie hat, ist einem der Wert nicht bewusst.
Bild: Europatag am Technischen Berufskolleg Solingen