Impfpflicht: Klarheit gefordert!

Impfen ist der Königsweg aus der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen. Auch gegen die Omikron-Variante ist das Impfen sehr wirksam. Selbst wenn Ansteckungen trotz Impfung weiterhin begrenzt möglich sind, ist doch die Gefahr eines schweren Verlaufs deutlich geringer. Schwere Impffolgen sind sehr selten. Das Risiko durch eine Impfung ist viel niedriger als das gesundheitliche Risiko durch eine Erkrankung, die zumindest jeden Ungeimpften früher oder später ereilen wird.

Viele Experten sagen: Wenn nahezu alle geimpft wären, könnten wir eine Infektionswelle wie die durch Omikron sogar ohne nennenswerte Einschränkungen durchstehen, weil unsere Bevölkerung schwere Verläufe nur noch in seltenen Fällen in Kauf nehmen müsste und unser Gesundheitssystem und seine Mitarbeiter vor Dauerüberlastung geschützt wären.

Um die nach wie vor in Deutschland zu niedrige Impfquote zu heben und zu verhindern, dass wir spätestens im Herbst in neue Einschränkungen unseres Lebens schlittern, kann uns eine allgemeine Impfpflicht helfen. Ich stehe grundsätzlich positiv zu diesem Vorschlag.

Bereits im November hatte Bundeskanzler Scholz eine Allgemeine Impfpflicht gegen Corona angekündigt. Doch er hat hierfür in seiner eigenen Regierung keine Mehrheit. Deshalb stellen sich die Koalitionäre nun vor, es solle doch als „Gewissensentscheidung“ quer über alle Fraktionen über eine Impfpflicht entschieden werden.

Dieser Vorschlag erntet bei uns erheblichen Widerspruch. Dass es sich bei der Impfpflicht um eine „Gewissensentscheidung“ handele, ist vorgeschoben. Vor Weihnachten haben wir schon einmal über eine Impfpflicht entschieden – für Beschäftigte in Betreuungseinrichtungen. Damals fiel die Entscheidung aber auf der Grundlage eines Gesetzentwurfes der Regierung und der Koalition. War das damals weniger „gewissenhaft“ als nun, wo es um die Impfpflicht für alle geht? Sind die Grundrechte für z.B. Pflegepersonal weniger wert als die von anderen Bürgern?

Wenn die Regierung in Fragen, in denen sie ein politisches Projekt im Prinzip für notwendig hält, aber keine eigene Mehrheit dafür hat, immer auf die Opposition setzt, verschwimmen die Verantwortlichkeiten. Am Ende müssten Oppositionspolitiker den Kopf auch für unpopuläre Entscheidungen hinhalten, während Abgeordnete der Regierungskoalition sich einen schlanken Fuß machen. Wenn wir diesen Trick der Regierung jetzt durchgehen lassen, kommen als nächstes z.B. Rüstungsentscheidungen, bei denen die Grünen eine eigene Mehrheit der Regierung im Vertrauen darauf verhindern, dass die Union ja schon zustimmen wird. Und in Podiumsdiskussionen erklären dann grüne, rote und gelbe Koalitionsmitglieder dem erstaunten Publikum, dass ja z.B. die Fortsetzung der nuklearen Teilhabe durch Deutschland und die Beschaffung teurer Flugzeuge für die Bundeswehr eine Entscheidung war, die vornehmlich von Oppositionspolitikern durchgesetzt wurde. So etwas stellt die Prinzipien unserer Demokratie und die klare Zuordnung von Verantwortung auf den Kopf.

Die Regierung verweigert die Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Impfpflicht und lässt auch unseren langen Fragenkatalog zur Impfpflicht unbeantwortet. Dabei kann über Impfpflicht doch nur entschieden werden, wenn wichtige Fragen geklärt sind: Wer gilt als ausreichend geimpft, mit welchem Impfstoff und in welchen Fristen? Was ist mit dem Status der Genesenen? Was ist mit Menschen, die von außerhalb der EU zuziehen? Welche Konsequenzen drohen, wenn die Impfpflicht nicht eingehalten wird? Wie wird dies kontrolliert? Auch bin ich der Meinung, dass wir ein Nationales Impfregister brauchen, denn heute sind die Angaben über Impfstatus und Impfquoten ziemlich ungenau. Das Bundesverfassungsgericht würde uns eine aus dem Ärmel geschüttelte Impfpflicht um die Ohren hauen.

In dieser Woche findet im Bundestag eine Orientierungsdebatte zur Impfpflicht statt. Meine Position dazu: Ohne Gesetzentwurf und ohne eigene Regierungsmehrheit zur Impfpflicht wird es unsere Stimmen dafür nicht geben. Wenn der Bundeskanzler und eine Mehrheit in der Regierung die Impfpflicht wollen, soll er ein Gesetz vorlegen. Unser Grundgesetz kennt in solchen Fällen die Möglichkeit der Vertrauensabstimmung. Sie verbindet mit der Zustimmung zum Gesetz das Überleben der Regierung und stellt so Abweichler in den eigenen Reihen vor die Frage: „Ist mir als Mitglied der Koalition meine abweichende Haltung so wichtig, dass ich dafür die Regierungsmehrheit gefährde?“ Das ist doch die eigentliche Gewissensfrage, die wir der Koalition nicht ersparen können. 

Bild: © CDU/CSU

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