Ist das neue Wahlrecht verfassungswidrig?

Diese Woche hat auch die Mündliche Verhandlung des Bundesverfassungsgericht zum „Bundeswahlgesetz 2023“ stattgefunden. Der Bundestag soll verkleinert werden. Das halte ich für richtig. Aber die von der Ampel beschlossene Umsetzung dieses Ziels, die Wahlrechtsreform aus dem letzten Jahr, halte ich für verfassungswidrig, weil fundamentale Grundsätze unseres Wahlrechts nicht beachtet werden und der Wählerwille verzerrt wird. Deshalb haben wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, aber auch die bayerische Staatsregierung, die Linke und über 4.000 Privatpersonen (vertreten durch den Verein „Mehr Demokratie“) Verfassungsbeschwerde eingelegt. Darüber hat das Bundesverfassungsgericht diese Woche mündlich verhandelt, ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Beim Wahlrecht geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Grundlagen unserer Demokratie. Aber das neue Wahlrecht verletzt die Chancengleichheit der politischen Parteien gleich mehrfach:

  • Nach dem neuen Ampel-Wahlrecht können Gewinner von Direktmandaten nur dann in den Bundestag einziehen, wenn ihre Mandate von der Anzahl der Zweitstimmen gedeckt sind, die ihre Partei erzielt. Das heißt: mehrheitlich gewählte Abgeordnete können leer ausgehen. Die Erststimme wird dadurch entwertet.
  • Außerdem fällt die sogenannte Grundmandatsklausel weg. Sie garantierte bislang, dass eine Partei, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, trotzdem in den Bundestag einziehen kann, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnt.
  • Die jetzige Reform kann auch dazu führen, dass ein Wahlkreis oder ein ganzes Bundesland nicht mehr im Bundestag von der Partei vertreten wird, die vor Ort die Mehrheit oder die meisten Wahlkreise gewinnt. Fiele die CSU beispielsweise einmal bundesweit unter die Fünf-Prozent-Hürde, könnte kein einziger der direkt gewählten CSU-Abgeordneten in den Bundestag einziehen.

Ich kritisiere aufs Schärfste, dass die Regierungskoalition nicht mit uns zusammen nach einer Lösung für die Verkleinerung des Bundestages gesucht hat, schließlich verfolgen wir dasselbe Ziel. So war es in der Vergangenheit bei Wahlrechtsreformen nämlich üblich. Jetzt schnitzt sich die Ampel ihr eigenes Wahlrecht, was ich für sehr undemokratisch halte.

Ich blicke gespannt auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, von dem ich hoffe, dass es noch vor der Sommerpause des Parlaments verkündet wird. Denn nach den Demokratie-Regeln des Europarats muss das endgültige Wahlrecht für eine Wahl ein Jahr vor dem Wahltag feststehen – die nächste Bundestagswahl ist im Herbst 2025 vorgesehen!

Bild: Michael Schwarzenberger/Pixabay

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